Ich bekam vor ein paar Tagen eine Einladung zur Audition
(Vortanzen/Vorsingen) und zwar in Hamburg für "Ich war noch
niemals in New York". Dabei war Material für die Rollen,
welche ich vorbereiten soll. Aber leider kann ich den
Vorsprechtermin gar nicht wahrnehmen, da ich an diesem Tag
meine Generalprobe in Mainz habe. Bisher ist mir kein
Zusatztermin bekannt, ich warte noch auf eine Antwort. So
ist es ganz oft: Ich freue mich zuerst über eine neue
Audition-Einladung, aber dann scheitert die Möglichkeit an
Terminproblemen, weil ich eben zwangsläufig auf Achse bin.
Aus Produzenten- oder Intendantensicht sollen wir Künstler
aber natürlich ständig und jederzeit verfügbar sein.

Bisher war ich immer selbständig tätig oder befristet
angestellt, also immer nur für eine Produktionszeit. Die
Jobsuche hört für uns Künstler also niemals auf!
Bis Ende Januar habe ich noch Auftritte, aber ab Februar
steht bisher noch nichts an. Nach langer Zeit ist mal wieder
ein schwarzes Loch vor mir und ich weiß noch nicht, wie es
weiter geht. Als junge Absolventin hatte ich
Schwierigkeiten, mit dieser Situation umzugehen. Die Fragen
können schon quälend sein: Finde ich einen kompatiblen
Nebenjob (ich habe beispielsweise mal länger bei H&M
gearbeitet), muss ich mich arbeitslos melden, oder kommt
vielleicht doch noch kurzfristig ein Job rein? Mittlerweile
merke ich, dass ich etwas lockerer damit umgehen kann. Zum
einen kamen öfters ganz spontan Jobanfragen und zum anderen
habe ich inzwischen das Glück, Anspruch auf ALG I zu haben.
Ganz wenigen meiner Kolleginnen ist das vergönnt, weil wir
Künstler selten auf die vorgeschriebenen 12 Monate
durchgehende Beschäftigung innerhalb von zwei Jahren kommen.
Nicht, dass ich mich darauf ausruhen würde. Aber es ist
beruhigend im Hinterkopf zu haben, dass es im Notfall eine
Überbrückung gibt. Zum Arbeitsamt zu gehen ist
dennoch eine unangenehme Sache, wie ich finde. Dabei ist ein
ALG I Antrag noch relativ harmlos. Es gab auch schon eine
Phase, da musste ich Hartz IV beantragen. Hier hat man
wirklich das Gefühl, sich komplett vor dem Staat
"auszuziehen". Ich möchte das nie mehr erleben und wünsche
das keinem einzigen von uns!
Ich kenne viele, viele Kollegen, die einen Nebenjob
haben, um sich in Zeiten ohne Engagement das Leben zu
finanzieren. Den zu finden ist aber gar nicht so einfach. Es
kann nämlich vorkommen, dass eine Castinganfrage erst ein
Tag vorher reinkommt, oder ich muss eine ganze Woche für
einen Dreh weg, etc. Einen Arbeitgeber zu finden, der bereit
ist, das mitzumachen, bzw. seine Dienstpläne so flexibel und
kurzfristig zu ändern, ist verständlicher Weise gar nicht so
einfach!
Mittlerweile gibt es auch viele meiner Kollegen, die
nach ein paar Jahren im Musicalbusiness umgeschult haben.
Sie wollen dieses unbeständige Leben einfach nicht mehr. Sie
sind es leid, sich immer wieder neu in Auditions beweisen zu
müssen (ein ganz eigenes Thema). Und schließlich haben sie
keine Lust mehr, sich auf unterirdische Gagenangebote
einzulassen, nur um nicht "weg vom Markt" zu sein. Zu guter
Letzt ist einer der Gründe, wieso viele aufhören, der Wunch
nach einer eigenen Familie. Ständig auf Reisen zu sein,
Arbeitszeiten in den Abendstunden, all das ist nur schwer
mit einem normalen Familienleben kompatibel. Es
ist in dem Business schon auffällig, wie wenig an
Familienplanung denken bzw. sie verwirklichen.
Hallo Mandy! Du sprichst mir aus der Seele :) Gerade heute habe ich eine Einladung zu einem Vorsprechen erhalten: In 4 Tagen, in Deutschland (ich wohne in Wien) - unmöglich zu realisieren oder zu finanzieren. In manchen Leerläufen zwischen Engagements musste ich auch schon verschiedene "Brotjobs" machen und wie du sagst, ist natürlich kein Arbeitgeber erfreut, wenn man von heute auf morgen zu einer Audition fliegen muss oder um ein kurzes Engagement anzunehmen, wieder kündigt.
AntwortenLöschenÜber die letzten Jahre kann ich mich Gott sei Dank nicht beschweren und hatte immer gut zu tun. Aber dieses psychische Loch in das man fällt, wenn man einmal doch ohne Engagement ist, reißt einen immer wieder in eine neue Sinnkrise, wie lange man diesen Job eigentlich noch machen kann. Und kaum steht man wieder auf der Bühne, ist diese Frage wie weggeblasen ;)
Das Selbstvertrauen und die Liebe zu dem Beruf müssen unerschütterlich sein um die regelmäßigen Absagen auch einzustecken. Bis man es irgendwann nicht mehr persönlich nimmt.
Aber viel mühsamer sind diese Sisyphus Audition Prozesse und die Tatsache dass man nach JEDEM Engagement von vorne anfängt. Ich habe es in 10 Jahren auf der Musicalbühne noch nicht EINMAL erlebt, sich hochzuarbeiten. Swing - Nebenrolle - Ensemble - Hautrolle - Swing mit Cover - ein ewiges auf und ab. Ganz egal was man schon alles gemacht und gespielt hat, wenn man in diesen Raum zur Audition kommt, fühlt man sich wie ein Anfänger frisch aus der Schule und wird auch genau so beurteilt. Plötzlich tanzt man nicht gut genug, plötzlich ist die Stimme zu schwach, der Typ nicht gefragt, obwohl man genau weiß, was man schon alles geleistet hat. Der Lebenslauf ist leider kein Qualitätssiegel und sich immer wieder von Grund auf neu beweisen zu müssen, ist in keinem Job so allgegenwärtig wie in unserem. Ich persönlich denke für mich gibt es keine Karriere auf der Bühne plus funktionierendem Familienleben. Irgendwann wird der Punkt kommen, wo man eine Entscheidung treffen muss. Ich kenne nur eine Handvoll Darsteller die im Job erfolgreich sind und ihren Kindern ein sicheres Heim bieten können - und bewundere sie. Aufgeben, umschulen, das Leben umkrempeln kann man immer. Aber solange der Traum von der Bühne noch greifbar und real ist, würde ich ihn so schnell auch nicht mehr hergeben :)