Sonntag, 8. November 2015

Castingeinladung

Ich bekam vor ein paar Tagen eine Einladung zur Audition (Vortanzen/Vorsingen) und zwar in Hamburg  für "Ich war noch niemals in New York". Dabei war Material für die Rollen, welche ich vorbereiten soll. Aber leider kann ich den Vorsprechtermin gar nicht wahrnehmen, da ich an diesem Tag meine Generalprobe in Mainz habe. Bisher ist mir kein Zusatztermin bekannt, ich warte noch auf eine Antwort. So ist es ganz oft: Ich freue mich zuerst über eine neue Audition-Einladung, aber dann scheitert die Möglichkeit an Terminproblemen, weil ich eben zwangsläufig auf Achse bin. Aus Produzenten- oder Intendantensicht sollen wir Künstler aber natürlich ständig und jederzeit verfügbar sein.

Bisher war ich immer selbständig tätig oder befristet angestellt, also immer nur für eine Produktionszeit. Die Jobsuche hört für uns Künstler also niemals auf! Bis Ende Januar habe ich noch Auftritte, aber ab Februar steht bisher noch nichts an. Nach langer Zeit ist mal wieder ein schwarzes Loch vor mir und ich weiß noch nicht, wie es weiter geht. Als junge Absolventin hatte ich Schwierigkeiten, mit dieser Situation umzugehen. Die Fragen können schon quälend sein: Finde ich einen kompatiblen Nebenjob (ich habe beispielsweise mal länger bei H&M gearbeitet), muss ich mich arbeitslos melden, oder kommt vielleicht doch noch kurzfristig ein Job rein? Mittlerweile merke ich, dass ich etwas lockerer damit umgehen kann. Zum einen kamen öfters ganz spontan Jobanfragen und zum anderen habe ich inzwischen das Glück, Anspruch auf ALG I zu haben. Ganz wenigen meiner Kolleginnen ist das vergönnt, weil wir Künstler selten auf die vorgeschriebenen 12 Monate durchgehende Beschäftigung innerhalb von zwei Jahren kommen. Nicht, dass ich mich darauf ausruhen würde. Aber es ist beruhigend im Hinterkopf zu haben, dass es im Notfall eine Überbrückung gibt. Zum Arbeitsamt zu gehen ist dennoch eine unangenehme Sache, wie ich finde. Dabei ist ein ALG I Antrag noch relativ harmlos. Es gab auch schon eine Phase, da musste ich Hartz IV beantragen. Hier hat man wirklich das Gefühl, sich komplett vor dem Staat "auszuziehen". Ich möchte das nie mehr erleben und wünsche das keinem einzigen von uns!

Ich kenne viele, viele Kollegen, die einen Nebenjob haben, um sich in Zeiten ohne Engagement das Leben zu finanzieren. Den zu finden ist aber gar nicht so einfach. Es kann nämlich vorkommen, dass eine Castinganfrage erst ein Tag vorher reinkommt, oder ich muss eine ganze Woche für einen Dreh weg, etc. Einen Arbeitgeber zu finden, der bereit ist, das mitzumachen, bzw. seine Dienstpläne so flexibel und kurzfristig zu ändern, ist verständlicher Weise gar nicht so einfach!

Mittlerweile gibt es auch viele meiner Kollegen, die nach ein paar Jahren im Musicalbusiness umgeschult haben. Sie wollen dieses unbeständige Leben einfach nicht mehr. Sie sind es leid, sich immer wieder neu in Auditions beweisen zu müssen (ein ganz eigenes Thema). Und schließlich haben sie keine Lust mehr, sich auf unterirdische Gagenangebote einzulassen, nur um nicht "weg vom Markt" zu sein. Zu guter Letzt ist einer der Gründe, wieso viele aufhören, der Wunch nach einer eigenen Familie. Ständig auf Reisen zu sein, Arbeitszeiten in den Abendstunden, all das ist nur schwer mit einem normalen Familienleben kompatibel. Es ist in dem Business schon auffällig, wie wenig an Familienplanung denken bzw. sie verwirklichen.